Fahrbericht Kawa Mach III

Fahrbericht der Kawasaki H1-500 Mach III aus dem Jahre 1972 vom legendären "Klacks" Seite 1 2 3

Test: Kawasaki H1 500ccm Es hat immer wieder Zeiten gegeben, in denen man glaubte,
daß der Zweitaktmotor leistungsmäßig kaum noch verbessert werden könnte. Der schlitzgesteuerte „einfache" Zweitaktmotor insbesondere. Und immer wieder fanden sich Leute, die neue PS irgendwo ausgraben konnten. Zum Beispiel Kawasaki mit 60 SAE-PS aus 498 ccm. Oder 54 DIN-PS.

1969 war die damalige Kawasaki Mach Ill erstmals in Deutschland, inzwischen hat sie sich gemausert und wird heute mit Verbesserungen als „H 1" angeboten. Sie ist zwar nicht mehr das Topmodell der Kawasakireihe (das ist die 750 ccm H 2), aber sie ist das Spitzenmotorrad der 500 ccm­Klasse. Man kommt sich richtig veräppelt vor, wenn man dann Anzeigen mit dem Text „Das Sportbike. Die auffallendste Art, heute Motorrad zu fahren. Schrittmacher der 70er Jahre" u. ä. liest, die sich auf irgendwelche 50 ccm­Fahrzeuge mit 5,3 PS beziehen. Vergleicht man das Angebot der 500er Klasse in Deutschland (siehe Tabelle S. 11), müßte man für diese H 1 von Kawasaki sagen ,.Schrittmacher der 70er Jahre". Das würde schon eher stimmen. Der Dreizylindermotor hat, um es gleich vorweg zu sagen, zwei Probleme: erstens die Lage des mittleren Zylinders, zweitens immer noch das Vorhandensein von Vibrationen, die man ja eigentlich vermeiden will, Zu ersterem wäre zu sagen, daß die vorhandene Kühlfläche dieses Zylinders wesentlich kleiner als die der beiden nebenstehenden ist, und daß er von seinen beiden Nachbarn „am Rande" auch eine Menge abgestrahlte Wärme zusätzlich verkraften muß. Außerdem liegt er im Windschatten des Vorderrades und in dessen besonderer Schmutzzone, so daß er immer mehr mit Dreck zugebacken ist als seine Nachbarn. Jedoch sind alle Zylinder getrennt voneinander  es ist also kein Block mit drei Bohrungen, der sich in der Wärme verzieht, so daß sich jeder Zylinder getrennt vom anderen in der Hitze ausdehnen kann. Nur auf diese Weise ist es möglich, einen solchen Hochleistungsmotor stehfest zu kriegen. Auf dem Nürburgring und nachher bei unseren täglichen Fahrten gab es keinen Ausfall, keine Kolbenklemmer. Allerdings waren wir sehr darum besorgt, daß der Spritzulauf immer funktionierte, und so möchten wir jedem Fahrer einer Kawasaki empfehlen, ganz streng darauf zu achten, daß es infolge Spritmangels im Vergaser zu keiner Gemischabmagerung kommt. Also nicht die Tankdeckelbelüftung

durch einen Tankrucksack zum Beispiel verdecken, daß keine Luft von außen mehr in den Tank eintreten kann. Die Zulaufleitungen und sämtliche Filter sauberhalten und auf gequollene Dichtungen in den Benzinhähnen achten (an der H 1 befindet sich ein Benzinhahn mit automatisch durch Unterdruck arbeitendem Zulauf!) usw. Die Ursache von Kolbenklemmern oder Löchern in den Kolben sind in erster Linie hier zu suchen! Vibrationen waren nicht abzustreiten an der Testmaschine. Man kann diese aber durch richtige Zündeinstellung unter Kontrolle halten, so daß sie nicht so stark werden, daß sich die Seitenstütze während der Fahrt von selbst rausstellt, wir schraubten sie einfach ab.
Die Fahrleistung der H 1 ist absolute Spitze, wenn die Straßenverhältnisse gut sind. Man kann ohne weiteres mit 750 ccm-Maschinen mithalten und ist manchen dieser großen Modelle sogar überlegen. Die Beschleunigung ist geradezu unheimlich, wir haben immer wieder gemessen, aber von 0 bis
100 km/h unter fünf Sekunden war immer drin. Man muß einen solchen Start allerdings etwas trainieren, doch ist es leichter als mit der früheren Mach III, deren Vorderrad sich dauernd in der Luft befand. Natürlich bringt man das mit der H 1 auch leicht fertig, aber es muß nicht sein, denn Lenkungswinkel, Vorderradgabel und Gewichtsverteilung wurden seit 1969 überarbeitet. Auf den 600 Metern von Start und Ziel bis zum Eingang der Südkur­ve des Nürburgringes erreichte man bei einem mittleren Startverhalten schon ein Tempo von 155 km/h, die Kurve selbst durchfuhr man bei trockener Bahn mit gut 90 km/h. Auf der Gegengeraden kam man aus 90 km/h über 700 m bis auf 168 km/h mit einem 160 Pfund-Fahrer leicht gebückt ohne besondere Anstrengungen! Das macht keine andere 500 ccm-Serienmaschine. Die nächsten Streckenstellen für hohe Geschwindigkeiten waren dann das Schwedenkreuz bei Kilometer 5 mit 172 km/h, die Fuchsröhre mit 170 km/h bei Kilometer 6,5 und die Gerade bei Kilometer 21 mit guten 180 km/h!


Kawasaki H 1, 500 ccm, Das Bild eines „klassischen" Motorrades. Tankinhalt ca. 15 Liter (deutlich zuwenig bei dem Verbrauch).


Die hydraulische Scheibenbremse lm Vorderrad ist besonders zu loben, die Trommel hinten ist O.K. Die Kette ist fast ungeschützt.

(langliegend im engen Lederzeug und mit angelegten Ohren). Die lange Steigung zwischen Breidscheid (Kilometer. 10) und dem Karussell (Kilometer 14) zwischen 7 und 16 Prozent fuhr man im IV. Gang mit knapp 158 km/h. Leider war hinter dem Schwalben- schwanz bei der Streckenstelle Galgenkopf noch immer eine Baustelle, so daß man die Zeitmessung bei Kilometer 19 am Schwalbenschwanz beenden mußte. Bis dahin war die schnellste Runde 9.54 min = zirka 115 km/h. Die Zeiten schwankten zwischen diesem Durchschnitt und rund elf Minuten (= zirka 103,5 km/h).
Das hohe Tempo von 180 km/h geradeaus auf der Endgeraden erscheint merkwürdig, wenn man die "Nur"-172 km/h am Schwedenkreuz oder die 170 km/h so schön bergab in der Fuchsröhre betrachtet. Alle gefahrenen Fahrtschreiber-Blätter zeigen dasselbe. Was'n da los?, fragte man. Antwort: Am Schwedenkreuz geht es in einer langgezogenen Linkskurve mit leichten Wellen über eine Kuppe hinweg, und da nimmt man bei der Kawa ganz schnell das Gas weg, wenn die Maschine in größerer Schräglage auf der Kuppe beim Ausfedern in Schlangenlinien kommt. Immerhin kommt man ja mit mehr als 170 km/h an! In der Fuchsröhre, die ja keineswegs schnurgerade ist, pendelt die Lenkung bei der Abfahrt um die Biegungen herum, so daß man etwas "langsam" tut. Dabei hat man den hydraulischen Lenkungsdämpfer auf die dritte Stufe schon eingestellt - er ist bestimmt nicht nur als Verkaufsgag eingebaut. Ähnliches, also leichtes Lenkerpendeln und beim Beschleunigen und Ausfedern sogar kurze Lenkerhaken, erlebt man in der langen Steigung bei Kilometer 12,5 zum Beispiel. Das Kawa-Problem: Die wunderschönen, vielen PS laufen den Fahrwerksmöglichkeiten etwas weg. Würde hier alles stimmen, wäre diese 500er vielleicht das schnellste große Motorrad überhaupt! 
So bleibt sie die schnellste 500er. Das aber einwandfrei und bewiesen. Die harte Federung des Hinterradesund die kurze Dämpfung der Federung insgesamt vorn und hinten sind bekanntlich japanische Allround-Motorradprobleme. Bei fast allen Maschinen aus dem Lande der aufgehenden Sonne. Denn dort kennt man solche Straßenprobleme nicht wie bei uns, und auch nicht im Hauptabnehmerland Amerika. Da sind die schnellen Straßen so, daß man auch mit einem Starr-Rahmen-Veteran 160 km/h ohne Schlenker fahren könnte, würde dessen Motor das hergeben. Im Bereich zwischen 120 km/h und 150 km/h, sozusagen noch das Motorrad-Einheitstempo unter den Großen - bleibt die H 1 problemlos, wenn man mit der schlanken und hübschen Sozia hintendrauf nicht gerade über einen abgesenkten Kanaldeckel hinwegknallt. Dann allerdings! (Maßstab für diese Bemerkung: Es gibt Maschinen, die selbst das zufolge einer hervorragenden Federung nicht übelnehmen !  120 PS/Liter in großen Stückzahlen gebaut, 70000 Maschinen 500 ccm insgesamt bis heute: Es gibt in Europa keine in dieser Größenordnung vergleichbare Motorrad-Fertigung (212000 Kawasaki-Einheiten 1971). Das erscheint hinsichtlich gleichbleibender Qualität und erstrebter Zuverlässigkeit eine nur schwer zu lösende Aufgabe. Deswegen aber möchten wir nochmals bemerken, daß unsere Testmaschine weder auf dem Nürburgring noch sonst im täglichen Einsatz ausfiel. Man sollte sich aber auch hinsichtlich der Angaben über Kerzen und Ölsorten daran halten, was im Handbuch angegeben ist. Also "Zweitaktöl" - (gibt es in Dosen - aber nicht vorgemischt), und wo es dieses Öl nicht gibt, da nimmt man offenes Schranköl aus dem Hahn, oder ein einfaches Dosenöl, SAE 30, kein Mehrbereichsöl. Damit haben wir den ganzen Test gefahren. 
Motor  Bild Mitte: Der schlitzgesteuerte Dreizylinder-Zweitaktmolor, der eine Leistung von 60 SAE-PS hergibt. Unter dem rechten vorderen Gehäusedeckel die Ölpumpe der Frischölschmierung. Sie versorgt Zyllnderlaufbahnen und Kurbelwellen- lager einzeln und direkt.
Normal für Stadt und Land verwendet man die japanische NGK-Kerze B-9Hc. Auf dem Nürburgring haben wir NGK B-10HN gefahren. Außerdem machten wir einen Versuch mit der Champion L - 2 G. Erfolg: schnellste Runde auf dem Ring, und später im täglichen Betrieb ebenfalls einwandfreies Kerzenbild, auch bei Stadtbummel. Diese Champion wäre also eine sehr gute Allroundkerze. Merken! Schwierigkeiten mit Anspringen gab es nicht. 

Der Bericht und die Bilder wurden leicht verändert im anderen Layout aus der "Motorrad 05/1972" entnommen.

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