Vorstellung Kawasaki H1 RA

Die erste Vorstellung der Kawasaki H1 RA Rennmaschine von Karl Auer und Werner Bergold

Werner Bergold und Karl Auer, derzeit Österreichs schnellste Motorrad-Straßenrennpiloten, reiten heuer zwei Kawasaki H 1 RA 500 ccm Rennmaschinen. Neben Agostinis sagenhafter MV Agusta ist die H 1 RA die schnellste Halblitermaschine der Welt. Ein Rennmotorrad der Superlative. Die AUTOREVUE wollte sich deshalb nicht die Gelegenheit entgehen lassen, die H1 RA des "Stroh Racing Teams" ihren Lesern vorzustellen.
Beide Maschinen gehören dem Stroh Racing Team. Während Auer in der vorigen Saison mit einer Yamaha 250 fuhr, startete Bergold mit einer Kawasaki H 1 R und sammelte großartige Erfolge - bis zum Elementarcrash auf dem Sachsenring in Ostdeutschland. Bergolds H 1 R brachte runde 75 Pferde aufs Hinterrad.
An der Antriebskette der H1 RA zerren 85 Pferde. Das Diagramm der Superlative zeigt eine Literleistung von 170 PS/L, ein Leistungsgewicht von 1,6 Kilo pro PS und zum Drüberstreuen der Preis eines Kawasaki-PS: 
942 Schilling! (Runde 80.000 S kostet das gute Stück).
Das Fahrgestell der H 1 RA besteht aus einer ultra- leichten Teleskopgabel vorne, einem Doppelschleifen- rohrrahmen und einem hinteren Schwingarm. Beim Rahmen ist die Sektion um den Steuerkopf besonders verstärkt, der Motor ist mit drei 285 mm langen M 10 Schrauben befestigt. 
Interessant ist, daß die hintere Schwinge nicht aus einer Rohrkonstruktion besteht, sondern aus Vierkantprofilen zusammengeschweißt wurde. Die Schwinge ist auffallend lang und verhindert so ein Flattern des Hinterrades beim Anbremsen von Kurven. Rechts vom Rahmen werden zwei Auspuffbirnen vorbeigeführt, links die Birne des linken Zylinders. Wie alle modernen Zweitaktmotoren haben die Auspuffbirnen eine voluminöse Expansionskammer und am Ende ein langes dünnes Auslaßrohr. 
Bergold: Bei siebeneinhalb (7500 U/min) setzt der Motor ein, daß das Vorderrad in die Luft geht", und fügt lächelnd hinzu: Auch im vierten Gang bei zweihundert Stundenkilometer!"

Der Dreizylinder-Zweitaktmotor ähnelt sehr dem Serienmotor. Die Kurbelwellenlager sind stabiler und die Steuerzeiten verständlicherweise geändert. Bohrung und Hub betragen 60 mm und 58,8 mm. Der Motor wird vom Luftstrom gekühlt und das Gemisch mittels Transistorzündung gezündet. Fünfundzwanzig Grad vor dem oberen Totpunkt gibt's einen Funken.
3 Mikuni VM 35 SC-Vergaser mit 35 mm Durchlaß stillen den ungeheuren Durst dieser Rennmaschine. Karl Auer: Ich arbeite gerade an einem großen Spezialtank - für einen Grand Prix brauchen wir rund 36 Liter!" Man muß sich das einmal vorstellen: Mit einem giftigen 85-PS-Renner dahinzurasen und rund 36 Liter Sprit in Kinnnähe. Das Ganze beginnt dann bei Halbdistanz in den Anbremszonen und Kurven vielleicht noch leicht zu schwabbeln. Dazu immer wieder der beinharte Motoreinsatz der 85 PS!
Die Kraftübertragung geht über einen Primärzahntrieb zu einer trocken laufenden Mehrscheibenkupplung, dann in ein Fünfganggetriebe. Bergold: Genau und exakt schalten, sonst gibts Salat, den großen Crash und langen Urlaub im Spital - alles in dieser Reihenfolge!"

In Giftgrün ist sie erst so richtig schön!!

Monströse Doppel-Duplexbremse vorne

Auf 18-Zoll-Felgen sind vorne 3.00 Rennreifen und hinten 3.50 Rennreifen aufgezogen. Bergold schwört auf 1,8 atü vorne und 2 atü hinten. Gebremst wird die Rakete von einer riesigen Doppelnockenbremse vorne und einer relativ kleinen Trommelbremse hinten. Bergold: Nach dem Bremsen muß man die Maschine sofort voll in die Kurve legen. Der Dreiecksquerschnitt der Rennreifen erlaubt kein langsames suchen der Schräglage!"
An so einer superheißen Rennmaschine ist alles nur auf einen Zweck ausgerichtet: Sieg! Die weit hinten liegenden Fußraster, die kurzen Lenkerstummel, die enge Verkleidung - alles ist gegen Gemütlichkeit. Mit der H 1 RA kann man nur rasen.

Der Motor läuft im unteren Drehbereich nur stotternd, versucht man als Greenhorn ein paar Einführungsrunden, bekommt man sofort Kreuzweh. Ein Karl Auer benötigt kaum Einführungsrunden. Er konstatierte auf Anhieb: "Mit dieser Maschine kann man genauso gut driften wie mit den alten britischen Einzylindern!" Seine Kawasaki hat aber gegenüber der alten Matchless fast um 30 PS mehr drinnen, dazu meint er trocken: "Auf sowas stell' ich mich immer schnell ein."
Auch Werner Bergold meinte nach dem ersten Proberitt auf dem Österreichring: "Im Fünften voll wird's fast still in der Verkleidung und die Piste schmal wie ein Waldpfad!" Kommentare von wahren Champions; und in den Händen von diesen Profis wird die Kawasaki H 1 RA zum echten Erfolgsinstrument. Anfänger sollten die Finger davon lassen.

Mike      

MOTOR:
Zweitakt-Dreizylinder, quer eingebaut, Kolbengesteuert, Bohrung 60 mm, Hub 58,8 mm, maximale Leistung 85 PS bei 9000 U/min, 3 Mikuni-Vergaser VM 35 SC, Superlub-Injection Schmierungssystem, Transistorzündung; Steuerzeiten: Einlaß 81 Grad BTDC offen, 81 Grad ATDC geschlossen, Auslaß 97 Grad BBDC offen, 97 Grad ABDC geschlossen, Oberstrom 63 Grad BBDC offen, 63 Grad ABDC geschlossen.
KRAFTÜBERTRAGUNG
Primärzahnradantrieb 2.407, Mehrscheibentrockenkupplung, fußgeschaltetes Fünfganggetriebe, Gangstufen 9.662, 7.188, 5.832, 5.134, 4.723, Hinterradantrieb über Kette 2.133.
RAHMEN UND FAHRWERK
Doppelschleifenrohrrahmen, ölgedämpfte Teleskopgabel vorne, Schwinge mit ölgedämpften, offenen Federbeinen hinten, Bereifung 3.00-18 vorne, 3.50-18 hinten, Doppelnocken Doppelbremsschuh- Trommelbremse vorne, einfache Trommelbremse hinten, Gewicht 136 kg.
FAHRLEISTUNGEN
Höchstgeschwindigkeit ca. 270 km/h, max. Schräglagewinkel 60 Grad laut Handbuch (Karl Auer: Es geht scho no a bisserl schiefer... !)
 

Der Bericht wurde leicht verändert und ergänzt, im etwas anderen Layout aus der "Auto-Revue Nr.  5/1972" entnommen.