FB: Benelli 125 / 250

Erster Fahrbericht Benelli 125ccm/250ccm, "Das Motorrrad" Ausgabe 9/74, 3 Seiten

 

Die in der Motorrad-Branche heißumkämpften Klassen 125 und 250 Kubikzentimeter erfahren durch die neuen Benellis eine Bereicherung aus Italien. Die ersten Fahreindrücke der in Deutschland noch unbekannten Maschinen bringt nachstehender Fahrbericht.

 

Die Motoren: Sanftmut in Reinkultur

Beim ersten Betrachten beider Motoren fällt sofort die ungewöhnlich kompakte Bauweise des Motorgehäuses auf, das um die Innereien herumgelegt zu sein scheint. Die von Motorenkonstrukteur Peter Dürr projektierten Graugußzylinder wurden bei der 250er durch Leichtmetall ersetzt, wodurch das Motorengewicht um mehr als zehn Kilogramm gesenkt werden konnte, Sehr saubere Verarbeitung sämtlicher von außen sichtbaren Motorenteile wie Zylinder, Motorengehäuse, Gehäusedeckel und der Kleinigkeiten drum herum zeigen deutlich, daß in Italien immer noch mit viel Liebe Motorräder gebaut werden; alle Teile sind äußerst glattflächig und damit auch leicht zu reinigen. Kaum auffallend ist die erst beim genauen Hinsehen erkennbare Tatsache, daß es sich bei beiden Motoren um das gleiche Motorgehäuse handelt. Auch innen sind - bis auf Kurbelwelle, Kolben und Zylinder - die Teile identisch!

Es wirft sich natürlich die Frage auf, ob die 125er eine „herunter gebüchste" 250er ist oder ob der Motor für 125 ccm projektiert war und nun einfach auf 250 ccm aufgepustet wurde. Wir würden eher für ersteres plädieren, womit auch gleich für die Lebensdauer der 125er ein besonders hohes Ziel gesteckt werden kann. Denn die Motorenteile sind damit auch überreichlich dimensioniert. Seidenweicher Lauf beider Motoren überrascht den Fahrer nach der problemlosen Antreterei. Die zweite Überraschung: Laufkultur wie selten erlebt! Sauberer, fast vibrationsloser Lauf über den gesamten Drehbereich. Durchzug schon ab 3000U/min bei beiden Motoren, Höchstdrehzahl bei über 9000/ min.

Nur Kenner bemerken die kleinen feinen Unterschiede zwischen den beiden Modellen; Fahrwerke, Instrumentarium und sonstige Ausstattung sind nahezu identisch.

Kurioserweise beginnt der rote Bereich auf dem Drehzahlmesser, beide Maschinen haben das gleiche Instrumentarium  schon bei 7000 U/min, die vom Werk angegebenen Höchstleistungen stellen sich bei 7500 U/min beim 250er und bei 7600 U/min beim 125er ein. Für den Fahrer heißt das also: Keine Angst, wenn sich die Nadel im roten Bereich bewegt.

Die Getriebe sind für die gegebene Motorcharakteristik gut abgestuft, der etwas große Sprung vom 2. in den 3. Gang fällt dank des guten und gleichmäßigen Durchzuges kaum nachteilig ins Gewicht. Üblich bei italienischen Maschinen sind die langen Schaltwege des Getriebes, die gut um das Doppelte länger sind als bei der japanischen Konkurrenz. Die Schaltung ist leicht und exakt zu bedienen, damit sind auch die Schaltwege kein so gravierender Nachteil.

1.Gang oben, die restlichen vier Gänge nach unten, je mehr man sich mit diesem Schaltsystem befaßt, desto sympathischer wird es dem Fahrer.

In punkto Leistung hinken die beiden Turbinen der Konkurrenz ein wenig hinterher. Diese Tatsache ist aber nur auf dem Papier bei Diagrammvergleichen augenfällig. Unsere Messungen wurden mit Maschinen vorgenommen, die frisch aus der Kiste kamen und noch jungfräulich glänzten. Daher auch die niedrige Höchstgeschwindigkeit der 125er mit „nur" 111 km/h, die Konkurrenz fährt im Extremfall bis zu 20 km/h davon. Doch die kleine Differenz von nur 2 km/h zwischen den Messungen mit aufrecht sitzendem und lang liegendem Fahrer zeigt, daß noch mehr zu machen ist und die 125er nach entsprechendem Einfahren, Graugußzylinder brauchen eben eine entsprechende Einlaufzeit, noch einen Zahn zulegt. Desgleichen die 250er, 149 km/h mit lang liegendem Fahrer für eine nagelneue Maschine sind ein erstaunlich guter Wert. Er zeigt vor allem, daß die angegebenen 24 DIN-PS echt sind. Kenner munkeln davon, die PS-Angaben seien am Hinterrad gemessen worden.

 

   

Die 250 Benelli hat gegenüber der 125er eine Doppelsimplex-Bremse die für noch wirksamere Verzögerung sorgt. Gut geschützt liegen die beiden Zündspulen und die beiden Seilzugverteiler unter dem Tank.
Die Fahrwerke: Sänften ohne Schaukelei

Nicht nur die Motoren sind bis auf Kleinigkeiten identisch, auch die Fahrwerke sind bis auf Bremsen (Doppel-Simplex bei 250 ccm, Simplex bei 125 ccm), Bereifung und hintere Federbeine gleich. Die Sitzbank der 250er mit 635 Millimetern nutzbarer Länge würde auch der 125er gut passen, sie ist um 65 Millimeter länger und damit auch etwas bequemer. Beide Maschinen haben eine Straßenlage, die ohne Übertreibung mit „ausgezeichnet" bewertet werden kann. Die Marzocchi-Telegabel mit 32 Millimetern Holmdurchmesser zeigt sich jeder Straßenoberfläche gewachsen, die hinteren Federbeine ließen bis jetzt den Wunsch nach Wechsel auf ein anderes Fabrikat noch nicht aufkommen.

Die Trommelbremsen sind überdurchschnittlich ausreichend, um für wirksame Verzögerung, besonders bei der nur 134 Kilogramm schweren 250er, zu sorgen.

Ausrüstung und Zubehör

Schalter und Hebelei sind bei beiden Modellen verschieden. Die 125er hat kastenförmige Schalter (ähnlich der Tornado) für Fingerakrobatik, bei der 250er wird man den Eindruck nicht los, daß die Feinheit der Ausführung für die zarten Hände eines italienischen Landgrafen vorgesehen sind, nicht aber für handschuhtragende Durchschnittshände.

Die Hebel für Kupplung und Bremse sind gut erreichbar und fordern normale Handkraft. Der 125er würde der 160 Millimeter Scheinwerfer der 250er auch gut passen, die Lichtausbeute ist aus der 130 Millimeter Funzel etwas dürftig, da auch hier eine Dunkelzone beim Umschalten von Fern- auf Abblendlicht vorhanden ist. In unteren Drehzahlbereichen ist das Licht trübe, es ist nur eine 6 Volt-Lichtanlage eingebaut.

Die Zündung arbeitet kontaktlos, ein weiterer positiver Punkt bei der Bewertung der beiden neuen Modelle.

Kurzbeurteilung

Benellis dynamischer Chef, de Tomaso, hat richtig geschaltet, die Techniker sauber gearbeitet und die Stilisten schön gezeichnet, die kleinen Benellis sind zweifellos gelungene Werke. Sie sind eine Konkurrenz, wie sie schärfer aus Italien nicht hätte kommen können und werden bestimmt für Aufruhr unter den fest auf dem Markt etablierten Marken sorgen. Wir hoffen für die Testmaschinen, daß die Forderung an die Lebensdauer - 10000 Kilometer in schärfstem Trab - nicht zu hoch gegriffen ist - nach den bisherigen Erfahrungen über je knapp 1500 Kilometer stehen die Erwartungen berechtigterweise im Zeichen des Optimismus. 

 

 
Technische Daten:

   
Motor
Zweizylinder Zweitaktmotor, schlitzgesteuert mit Umkehrspülung, fahrtwindgekühlt; 
Bohrung X Hub 42,5 X 44 mm (56 X 47 mm), Hubraum 123 ccm (231,4 ccm); Verdichtungsverhältnis 10,3 :1, 
Nennleistung 12,8 PS bei 7600/min (24 PS bei 7500/min); spezifische Leistung 102,4 PS/Liter (104 PS/Liter), 
maximales Drehmoment, 1,22 mkg bei 7500/min (2,3 mkg bei 7000/min); mittlere Kolbengeschwindigkeit bei Nenndrehzahl (7600) 11,15 m/sec (7500=11,75 m/sec), pro 1000/min 1,40 m/sec, (1,57 m/sec). 
Stahlkurbelwelle aus Einzelteilen zusammengepresst, 4fach gelagert. Hubzapfen um 160° versetzt; Mischungsschmierung 1 :25.
Vergaser
Zwei Dell'Orto SHB 19.19B, Ø=19 mm ( VHB 22 BD / BS Ø=22 mm ) Schieberbetätigung durch Seilzug/Verteiler, Rückstellung durch Feder; Hauptdüse 102 (88), Leerlaufdüse 45, Starterdüse 50 (70), Schwimmer Gr. 3,5 (10), Drosselklappe 7928.3 (50), (Zerstäuberschraube 260 S) (Konische Nadel E.12 bei 2. Kerbe) Gemischregulierschraube 1,5 (11/4) Umdrehung offen; Trockenluftfilter ausblasbar.
Zündung/Licht 
Kontaktlose Magnetzündung, Elektrodenabstand der Zündkerze 0,6 mm, Zündzeitpunkt 21° (18°) vor OT, Zündkerze Marelli CW 260 L; Wechselstromgenerator 6 Volt 50 Watt, Typ ESP 7; Batterie dient zum Betrieb der Blinker, Stopplicht und Hupe, Kapazität 9 Ah, Scheinwerferdurchmesser 130 mm (160 mm).
Kraftübertragung 
Primärantrieb über schrägverzahnte Zahnräder 2,944. Mehrscheibenkupplung im Ölbad, Sekundärantrieb über Rollenkette 1/2X5/,6, 114 Glieder, Übersetzung 3,00 (2,411); klauengeschaltetes Fünfganggetriebe, gerade verzahnte Räder, Getriebestufung 2,833/1,857/1,3/ 1,045/0,875; Gesamtübersetzung 25/16,4111,48/ 9,23/7,73. (20,107/13,18/9,226/7,416/6,21). Getriebeöl 800 ccm AGIP F.1 Rotra MP 80.
Fahrwerk 
Radstand 1310 (1330) mm, Wendekreis 3,43 m (3,83 m); Doppelschleifen-Rohrrahmen, vorn hydraulisch gedämpfte Marzocchi Teleskopgabel, Standrohrdurchmesser 32 mm, Dämpferöl 180 ccm AGIP FA Shock Absorber oder ATF (200 ccm); Hinterradschwinge mit dreifach verstellbaren, hydraulisch gedämpften Federbeinen.
Reifen/Bremsen 
Vorn 2.75 x 18 (3.00 x 18) 1,8-2,0 atü; hinten 3.00 x 18 (3.25 x 18) 2,0-2,2 atü; Felgenbezeichnung vorn Borrani /WM/18 Record RM 01/4717, hinten Borrani /WM 2/18 Record RM 01/4718; Felgengröße 1.85 Bx18. Vorn über Seilzug betätigte Simplex- (Doppelsimplex-) Bremse, Ø = 176 mm (200 mm), hinten über Gestänge betätigte Simplex-Bremse Ø = 158 mm.
Abmessungen und Gewichte Benelli 125-2C 
Länge 1950 mm, Breite 610 mm, Höhe 1005 mm, Sitzhöhe 780 mm, Höhe Fußrasten zu Sitzfläche 490 mm, Sitzbanklänge 570 mm, nutzbare Sitzbankbreite vorn 230 mm, hinten 240 mm, Bodenfreiheit 175 mm, Tankinhalt 12,5 Liter, davon ca. 3 Liter Reserve; Gewicht vollgetankt mit Werkzeug 125 kg, Achslastverteilung von 56 kg (45%), hinten 68 kg (55%) mit 70 kg-Fahrer vorn 76 kg (39%), hinten 119 kg (61%); zulässiges Gesamtgewicht 295 kg.
Abmessungen und Gewichte Benelli 250-2C 
Länge 2000 mm, Breite 600 mm, Höhe 1025 mm, Sitzhöhe 780 mm, Höhe Fußrasten zu Sitzfläche 480 mm, Sitzbanklänge 635 mm, nutzbare Sitzbankbreite vorn 260 mm, hinten 270 mm, Bodenfreiheit 175 mm, Tankinhalt 12,5 Liter, davon ca. 3 Liter Reserve; Gewicht vollgetankt 134 kg mit Werkzeug Achslastverteilung vorn 62 kg (46,5%), hinten 72 kg (53,5°%), mit 70 kg Fahrer vorn 82 kg (40%), hinten 122 kg (60°/o); zulässiges Gesamtgewicht 300 kg.
Testverbrauch: 4,9 ( 7,1 ) Liter auf 100 km
Wartung: nach 500 km Ölwechsel, sonst alle 6000 km große Inspektion.
Preis:  2569,- DM, ( 3669,- DM)

Der Bericht und die Bilder wurden leicht verändert im anderen Layout aus der "Motorrad 9/1974" entnommen.